Weisheiten von Carl Jung
Menschen
Ohne das reflektierende Bewußtsein des Menschen ist die Welt von gigantischer Sinnlosigkeit, denn der Mensch ist nach unserer Erfahrung das einzige Wesen, das «Sinn» überhaupt feststellen kann.
Denn hinter jedem einmaligen Vater steht das ewige Bild des Vaters, und hinter der vorübergehenden Erscheinung der persönlichen Mutter steht die magische Figur der Mutter schlechten.
Der Männlichkeit der Frau und die Weiblichkeit des Mannes sind minderwertig, und es ist bedauerlich, wenn dem vollen Wert noch etwas Minderwertiges angehängt wird.
Die menschliche Psychologie ist bekanntlich chamäleonartig, das erfährt der praktische Psychologe alltäglich.
Gott über Gott... ein Gott, von dem Ihr nicht wusstet, denn die Menschen vergaßen ihn. Wir nennen ihn mit seinem Namen Abraxas. Er ist noch unbestimmter als Gott und Teufel.
Das Problem der Liebe gehört zu den großen Leiden der Menschheit, und niemand sollte sich der Tatsache schämen, dass er seinen Tribut daran zu zahlen hat.
Gut und Böse
In Hitler hätte jeder Deutsche seinen eigenen Schatten, seine eigene schlimmste Gefahr erkennen müssen. Einem jeden von uns ward das Los zuteil, seines Schattens bewußt zu werden und sich mit ihm auseinanderzusetzen. Wie könnte man jedoch von Deutschen erwarten, daß sie das verstehen, wenn niemand in der Welt eine so einfache Wahrheit verstehen kann?
Frauen
Durch die passive Einstellung mit unsichtbarer Absicht im Hintergrund verhilft eine Frau dem Mann zu seiner Verwirklichung und verhaftet ihn damit.
Da aber der Mensch Männliches und Weibliches in seiner Natur vereinigt, so kann ein Mann Weibliches und eine Frau Männliches leben. Jedoch steht dem Manne das Weibliche im Hintergrund, so wie der Frau das Männliche.
Lauen und Emotionen der Frauen kommen ihr nicht direkt aus dem Unbewußten sondern sind ihrer weiblichen Natur eigen und daher nie naiv, sondern vermischt mit nicht zugestandener Absicht.
Der Eros gehört für den Mann zum Schattenland und verwickelt ihn in weibliches Unbewußten, in „Seelisches“, während der Logos für die Frau eine tödlich langweilige Vernünftelei ist.
Kinder
Die Unendlichkeit der Vorbewußten kindlichen Seele verschwindet oder bleibt erhalten mit ihr. Deshalb sind die Reste der kindlichen Seele im erwachsenen Menschen sein Bestes und sein Schlimmstes, auf alle Fälle aber formen sie den geheimen spiritus rector unserer bedeutsamsten Taten und Schicksale.
Wir können weder die Psychologie des Kindes noch die des Erwachsenen völlig verstehen, wenn wir sie nur als subjektive Angelegenheit des Individuums betrachten, denn noch wichtiger fast ist seine Bezogenheit.
Leben
Es ist wichtig, daß wir ein Geheimnis haben und die Ahnung von etwas nicht Wißbarem. Es erfüllt das Leben mit etwas Unpersönlichem, einem Numinosum.
Es ist Temperamentssache zu glauben, was überwiegt: die Sinnlosigkeit oder der Sinn. Wenn die Sinnlosigkeit absolut überwöge, würde mit höherer Entwicklung die Sinnerfülltheit des Lebens in zunehmendem Maße verschwinden. Aber das ist nicht - oder scheint mir - nicht der Fall.
Alle natürlichen Dinge haben aber zwei Seiten, und wenn wir etwas bewußt machen müssen, so dürfen wir nicht nur das Licht, sondern müssen auch den Schatten sehen.
Leider lebt niemand in der Welt, wie sie wünschenswert wäre, sondern in der wirklichen Welt, wo Gutes und Böses vernichtend aufeinanderprallen, wo die Hände, die schaffen und ausbauen wollen oder müssen, das Schmutzigwerden nicht vermeiden können.
Auch das glücklichste Leben ist nicht ohne ein gewisses Maß an Dunkelheit denkbar, und das Wort Glück würde seine Bedeutung verlieren, hätte es nicht seinen Widerpart in der Traurigkeit.
Psychologie
Natural mind ist Geist, welcher der Natur entstammt und nichts mit Büchern zu tun hat. Er entspringt der Natur des Menschen wie ein Quell der Erde und spricht die eigentümliche Weisheit der Natur aus. Er sagt die Dinge unbekümmert und ruchlos.
Die analytische Psychologie gehört grundsätzlich zur Naturwis senschaft, unterliegt aber der persönlichen Voraussetzung des Beobachters viel mehr als irgend eine andere Wissenschaft.
Das Untere aber, das im bewußteren und darum vollkommeneren Menschen mitzuleben verlangt, ist nicht das, wozu ihn bloße Lust überreden will, sondern das, was er fürchtet.
Heute nehmen wir an, dass das Bewußt sein bloß aus jenen Vorstellungkomplexen bestehe, die unmittelbar mit dem Ich assoziiert sind. Mit dem Ich sind diejenigen psychischen Inhalte verbunden, die eine gewisse Intensität besitzen.
Da Nachprüfen und Nachdenken so umständlich und schwierig sind, so urteilt man lieber unbeschwert und realisiert nicht, dass man bloß projiziert und somit sich selber zum Opfer eines närrischen Illusionstricks macht.
Ich erachte es für die vornehmste Aufgabe der Psychotherapie in unserer Gegenwart, unentwegt dem Ziel der Entwicklung des Einzelnen zu dienen.
Träume
(Ein Traum) bildet gewisse lebenswichtige Grundtendenzen der Persönlichkeit ab, entweder solche, deren Bedeutung sich über das ganze Leben erstreckt, oder Solche, die mehr momentan von besonderer Wichtigkeit sind.
Wirklichkeit
Die wirklichen aber überfallen ihn (man) aus den Tiefen des Unbewußten, so daß er vielleicht dann Dinge verrät, die er wirklich geheim halten sollte. Auch darin sehen wir wieder den numinosen Charakter der hintergründigen Wirklichkeit.
Nicht wir haben Geheimnisse, die wirklichen Geheimnisse haben uns!
Es gibt Wahrheiten, die erst übermorgen wahr sind, und solche, die noch gestern war waren - und solche, die in keiner Zeit wahr sind.
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